Die Wahrstedter St. Petrus-Kirche, auf erhöhtem Gelände im Dorfzentrum neben der Schule gelegen, ragt mit ihrem Turm als markantes Gebäude aus allen Richtungen hervor. Ihre prächtige Ausstattung, insbesondere der barocke Hochaltar, zählt die Kirche zu den schönsten Dorfkirchen im alten Land Braunschweig.
Die früheste gesicherte Erwähnung der Kirche findet sich in der Urkunde von 1264, in der Wahrstedt erstmals erwähnt wird. Das Augustinerkloster Schöningen übertrug das Patronat und den Eigenbesitz der Kirche an das Erzbistum Magdeburg. Bis zur Reformation Anfang des 16. Jahrhunderts gehörte die St.-Petrus-Kirche zum Archidiakonat Eschenrode im Bistum Halberstadt. Bauhistorisch sind Spuren zu erkennen, die etwa 1000 Jahre zurückreichen: Der Altarsockel gilt als der älteste Teil der Kirche; der mittlere Teil entstand vermutlich im 13. Jahrhundert, während der Altarraum im 15. Jahrhundert erbaut wurde. Der noch heute bestehende Turm wurde 1767 auf Initiative des Büstedter Gutsbesitzers und Kirchenpatrons Carl Hartwig von Bibow errichtet. Mit der Gutsherrschaft über das Rittergut Büstedt, das gegenüber Velpke und Wahrstedt liegt, war auch das Patronat über die dortigen Kirchen verbunden. Der Gutsherr hatte das Recht, die Pfarrstellen innerhalb seines Bezirks zu besetzen; dieses Präsentationsrecht besteht bis heute. Früher war er auch für die Kirchenbaulast zuständig. Um 1845 wurden umfangreiche Rekonstruktionsarbeiten an der Kirche durchgeführt, unter anderem wurden die von Quadern eingefassten Spitzbogenfenster in dieser Zeit eingebaut. Ende des 19. Jahrhunderts berichtete Pfarrer Audorf von weiteren umfangreichen Renovierungsarbeiten sowohl im Innenraum als auch an der Außenfassade.
Ein besonderes Kleinod der Kirche ist der Hochaltar aus dem Jahr 1678. Die geschnitzten Holzfiguren, vermutlich von einem Renaissancekünstler geschaffen, stellen Jesus als Auferstandenen, Johannes den Täufer und Moses mit den Gesetzestafeln dar. Die Gemälde sind kunsthistorisch von mittelmäßiger Qualität und orientieren sich an Stichen niederländischer Meister.
In einem geschichtlichen Rückblick verdienen die Kirchenglocken von Wahrstedt besondere Erwähnung. Seit dem 14. Jahrhundert besaß die Kirche ein beeindruckendes Geläut, das ursprünglich aus drei Glocken bestand. Die größte Glocke war kunstvoll mit sechs Medaillons verziert, die Szenen aus der christlichen Lehre darstellten, darunter die Verkündigung, die Geburt Christi, die Kreuzigung sowie Darstellungen von Maria und dem Kind. Im Ersten Weltkrieg mussten zwei der Glocken zur Einschmelzung abgegeben werden. 1934 wurde als Ersatz eine neue Glocke von der Hildesheimer Glockengießerei Radler angeschafft und geweiht. Doch nur wenige Jahre später wurde auch diese Glocke im Zweiten Weltkrieg zur Gewinnung von Buntmetallen abgeliefert. Am 3. Advent 1988 wurde eine neue Glocke geweiht, die seither wieder Teil des Geläuts ist.
Die bereits erwähnte Reformation stellte einen bedeutenden Wendepunkt für die Wahrstedter Kirche dar. Ab diesem Zeitpunkt war die Pfarrstelle in Wahrstedt mit der Velpker Kirche verbunden, und der in Velpke ansässige Pfarrer übernahm sowohl die Gottesdienste als auch die kirchlichen Amtshandlungen in Wahrstedt. In seiner Funktion hatte der Pfarrer auch die geistliche Aufsicht über den Lehrer und die Schule. Er war in doppelter Hinsicht Vorgesetzter des Lehrers: Einerseits kontrollierte er die Ausübung des Lehramtes, andererseits war er Aufsichtsperson in dessen Funktionen als Küster und Organist an der Kirche. Diese weitreichenden Befugnisse der geistlichen Schulaufsicht bestanden bis zum Ersten Weltkrieg. Im Jahr 1897 gehörten neben dem Pfarrer Audorf und dem Gutsbesitzer Paul Rimpau aus Büstedt als Kirchenpatron auch die Gemeindevorsteher Carl Täger, Großkothsass Wilhelm Kraul, Brinksitzer Carl Pasche sowie der Hilfslehrer Meyer dem Wahrstedter Schulvorstand an. In der Regel war der Pfarrer auch Vorsitzender des Schulvorstandes.
Die Verbindung der Wahrstedter Kirche mit der Pfarre in Velpke hielt bis 1989, als der Gesamtpfarrverband Aller neu organisiert wurde.
Derzeit zählt die Kirchengemeinde Wahrstedt 315 Mitglieder. Den Kirchenmitgliedern und dem Kirchenvorstand liegt der Erhalt des Kirchengebäudes und der Anlage besonders am Herzen. Deshalb wurde 1997 eine neue Heizungsanlage installiert, 2004 wurde die alte Orgel generalüberholt. Im Zuge der Erneuerung der Ortsdurchfahrt 2007 wurde die Betonmauer entfernt und durch eine den Kirchenbau ergänzende Sandsteinmauer ersetzt. Hinter dieser entstand ein großzügiges Staudenbeet, in dem auch der Gedenkstein zur 750-Jahr-Feier seinen Platz fand. Dieser wurde am 28. September 2013 nach einem Gottesdienst feierlich enthüllt. Derzeit arbeiten wir an der Reparatur der Turmuhr, die seit Mai 2013 wieder korrekt funktioniert.
Das Wichtigste für den Kirchenvorstand sind jedoch die Menschen. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen ebenso wie regelmäßige Besuchsdienste, seelsorgerliche Gespräche, die Integration von Neuzugezogenen und vieles mehr. Obwohl wir noch viele Pläne und Aufgaben haben, werden diese durch den künftig zu erwartenden finanziellen Rahmen stark eingeschränkt. Dennoch lassen wir uns nicht entmutigen und halten uns an die Bibelstelle:
„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ 2. Timotheus 1,7
Seit 1897 wurde die vergoldete Kugel der Kirchturmspitze viermal geöffnet und mit neuen Dokumenten versehen. Nachfolgend finden Sie Auszüge aus den Kugelöffnungen der Jahre 1897, 1932, 1959 und 1991:
KUGELÖFFNUNGEN
Im Jahre des Herrn 1897, im Monat Juni, wurde das mit Ziegeln gedeckte, niedrige Dach des im Jahre 1764 erbauten Kirchturms von Wahrstedt abgebrochen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Turm weder Spitze noch Knopf besessen.
Der stark beschädigte Kalkputz an den Außenseiten ist bereits entfernt worden, und es ist geplant, das Mauerwerk nun mit Zement auszufugen. Durch diese Bauarbeiten wird die Kirche, deren Inneres 1885 neu bemalt wurde, ein schönes Erscheinungsbild erhalten und eine Zierde des Ortes werden.
Die mittlere der drei Glocken, die keinen guten Klang hatte, wurde an die Glockengießer Radtke und Söhne in Hildesheim verkauft. Diese werden eine neue Glocke liefern.
Die friedliche Gemeinde Wahrstedt, die laut der letzten Volkszählung von 1895 326 Einwohner zählt, während die eingepfarrte Gemeinde Büstedt 43 Seelen zählt, hat sich in den letzten Jahrzehnten wenig vergrößert.
Die Schieferabdeckung des 1897 erbauten Turmhelms war so stark beschädigt, dass der Kirchengemeinderat beschloss, eine Neueindeckung vorzunehmen – diesmal mit Kupfer, da Schiefer bei den derzeit niedrigen Kupferpreisen nicht wesentlich günstiger war.
Die Kosten müssen größtenteils durch Steuern aufgebracht werden, da das frühere Barvermögen der Kirche von rund 15.500 Goldmark durch die Inflation nach der Revolution fast vollständig verloren ging.
Nach der letzten Zählung im Jahre 1926 hat Wahrstedt 280 und Büstedt 44 Einwohner.
Wir leben jetzt in schweren Zeiten. Unser Volk ist durch hohe Tribute und übermäßige Steuern stark belastet. Landwirtschaft, Handel und Industrie liegen am Boden. Zwangsversteigerungen und Insolvenzen sind alltäglich, und jahrhundertealter Familienbesitz geht verloren. Über 6 Millionen Menschen sind im deutschen Reich arbeitslos.
Diese Kugelöffnung beschreibt die gegenwärtigen Verhältnisse der 482 Einwohner zählenden „Zonenrandgemeinde“ Wahrstedt, deren Struktur durch die zwischen Büstedt und Oebisfelde verlaufende Zonengrenze geprägt ist.
Die Zonengrenze entstand am 1. Juli 1945 als Demarkationslinie zur Abgrenzung der von den Siegermächten des 2. Weltkriegs besetzten Teile Deutschlands. Durch einseitige Maßnahmen der sowjetisch beeinflussten Ostzone, später „Deutsche Demokratische Republik“ genannt, wurde sie zu einem „Eisernen Vorhang“. Ein sichtbares Zeichen dafür ist der hohe Stacheldrahtverhau auf der Allerbrücke hinter Büstedt.
Ein weiteres trauriges Bild bietet der Wahrstedter Bahnhof an der ehemaligen Strecke Oebisfelde-Helmstedt, die 1945 stillgelegt wurde, da sie zweimal von der Zonengrenze durchschnitten wurde.
Obwohl über 80 Werktätige im Volkswagenwerk Wolfsburg sowie in anderen technischen Betrieben in Braunschweig, Vorsfelde und Velpke beschäftigt sind, hat das Dorf seinen bäuerlichen Charakter bewahrt. 21 Höfe und landwirtschaftliche Betriebe bilden nach wie vor die gesunde Substanz des früheren Lebens.
Das Jahr 1959 war durch eine bisher nicht gekannte Trockenheit geprägt. Die Schomburgriede war ausgetrocknet, und die Aller reduzierte sich auf ein Rinnsal.
Am 15. Oktober 1959 wird die Erneuerung des Kirchturmdaches der St. Petrikirche abgeschlossen, und Wetterfahne, Turmknauf und Kugel werden nach gründlicher Renovierung wieder aufgesetzt.
Im Herbst 1989 entstand am Kirchturm der Wahrstedter Kirche ein größerer Sturmschaden. Im Frühjahr 1991 genehmigte und finanzierte das Landeskirchenamt in Wolfenbüttel die Neueindeckung.
Nach der Öffnung der Grenzen zur ehemaligen DDR war der Bedarf an Baumaterialien und Fachkräften groß, wodurch sich der Renovierungstermin bis September verzögerte.
Von einst 21 Höfen im Ort existieren nur noch zehn; einer dieser Höfe wird im Nebenerwerb bewirtschaftet. Etwa die Hälfte der Wahrstedter arbeitet im VW-Werk in Wolfsburg, das seit 1990 kaum noch Aufträge termingerecht erfüllen kann.
Das größte Problem von Wahrstedt ist derzeit die Bewältigung des Verkehrs auf der B 188. Täglich fahren zwischen 8.000 und 12.000 PKW durch das Dorf, das zuvor 40 Jahre lang nur von den Einwohnern durchfahren wurde.
Da Wahrstedt seit 1972 zur Samtgemeinde Velpke gehört, wird das politische Leben hauptsächlich von dort bestimmt. Der Ort hat aktuell ca. 550 Einwohner.
Gottesdienst ist normalerweise jeden zweiten Sonntag ab 09:00 Uhr.